Bomben und Geheimnisse
Geschichte des Massakers auf der Piazza Fontana
Von Luciano Lanza
Aus dem Italienischen von Egon Günther.
Hamburg: Edition Nautilus, 1999. Softcover, 144 Seiten, illustriert. ISBN 978-3894013325. Preisreduziert.
Beschreibung:
Am 12. Dezember 1969 explodieren in Mailand und Rom an verschiedenen Orten Bomben. Besonders schwer ist das Attentat in der Landwirtschaftsbank an der Piazza Fontana, dort werden 16 Menschen getötet und 90 zum Teil schwer verletzt. Unmittelbar nach den Bombenanschlägen beginnt eine polizeilich-politische Kampagne gegen die außerparlamentarische Linke. In ganz Italien werden Aktivisten der sozialen Bewegung verhört und verhaftet, in vielen Städten werden Zentren durchsucht. Zum Bombenleger wird der Tänzer und Anarchist Valpreda erklärt und verhaftet. Der Leiter der politischen Polizei, Luigi Calabresi, verhört in der Nacht vom 15. auf den 16. Dezember den anarchistischen Eisenbahnarbeiter Giuseppe Pinelli, gegen Mitternacht »stürzt« Pinelli aus dem Fenster des 4. Stocks des Mailänder Polizeipräsidiums ...
Dieses Buch zeigt die wirklichen Bombenleger und die Ziele, die sich hinter dem Vorhang des Terrors verbergen. Die Bomben der Piazza Fontana sind der Auftakt für die »Strategie der Spannung«, deren manipulative Gewalt in den folgenden Jahren Italien erschüttern sollte. Lanzas Bericht enthüllt das verästelte Geflecht einer politischen Verschwörung, in die Teile der Armee, der Polizei, des Geheimdienstes, Kreise des christdemokratischen Staatsapparates und faschistische Kampfgruppen eingebunden waren. Er zeigt, daß durch die Drohung mit einem Staatsstreich die weitreichende Linksentwicklung gezähmt werden sollte.
Die »Bomben der Piazza Fontana« haben bis in die Gegenwart nichts von ihrer Wirkung eingebüßt. Die skandalöse Verurteilung von Sofri, Bompressi, Pietrostefani zu 30 Jahren Gefängnis wie auch die fortdauernde Inhaftierung von Toni Negri belegen dies nachhaltig. Dario Fo initiierte eine europäische Kampagne zugunsten dieser neuen Opfer einer Politik und Justiz, die sich seit 1969 beharrlich fortsetzen.
Über den Autor:
Luciano Lanza, geboren 1945 in Mailand, Mitbegründer der Zeitschrift "A-rivista anarchica" sowie Redakteur von "Volontà". Er arbeitet als Journalist für "Espansione", "Milano Finanza" und "il Mondo".
»Am 12. Dezember 1969 explodieren in Mailand und Rom an verschiedenen Orten Bomben. Unmittelbar danach beginnt eine polizeiliche Kampagne gegen die außerparlamentarische Linke. Lanza offenbart die Methoden der Herrschenden in Italien gegen demokratische und soziale Bewegungen.«
Neues Deutschland
»Der Journalist Lanza war 1971 unter den Gründern des Monatsheftes A-rivista anarchica. Mit dem Stolz und der bitteren Befriedigung desjenigen, der als einer der ersten das Blutbad von Mailand als Staatsmassaker bezeichnet hat, schildert er die Ermittlungen.«
La Republica
»Luciano Lanza, Journalist und als Anarchist des Circolo Ponte della Ghisolfa ein Genosse von Pino Pinelli, ist es gelungen, bei der Durchsicht der Ereignisse, die ihn wahrscheinlich zutiefst berührt haben, objektiv zu bleiben.«
Liberazione
»Luciano Lanza hält sich bei der Rekonstruktion des damaligen Geschehens minutiös an die Unterlagen.«
Corriere della Sera
Der 12. Dezember 1969 markiert mit dem blutigen Anschlag an der Piazza Fontana einen höchst folgenreichen Zeitpunkt innerhalb der italienischen Nachkriegsgeschichte. An diesem Tag erwies sich die Kriminalität einer politischen Klasse, die zum Machterhalt gegenüber dem Vormarsch des Kommunismus zu allem bereit ist. Auch dazu, unterwegs Tote zurückzulassen, um gar nicht erst Zweifel an ihrer Führerschaft aufkommen zu lassen. Jenes Massaker ist kein dunkles Kapitel, keine »Nacht der Republik«, es hat eine deutliche und knappe Botschaft: besser Tote als ein Wandel. Eine absurde Logik, die fast alle Vorschläge zu einer radikalen Umwandlung der italienischen Gesellschaft in eine kritische Lage gebracht hat. Von dieser Warte hat die Bombe der Piazza Fontana Geschichte gemacht. Von den Anarchisten, den kriminellen Irren, ging man zu den schuldigen Nazis und Faschisten über. Zusammen auf die Anklagebank gesetzt, wurden am Ende alle freigesprochen. Und die Schuldigen? Die gibt es nicht. Später kommt dann, nachdem die Hauptschuldigen nicht mehr verurteilt werden können, die Verantwortlichkeit der Nazifaschisten zum Vorschein. Zuletzt tauchen, am Stadtrand von Rom sich selbst überlassen, 150.000 Akten der Geheimdienste auf, in denen wahrscheinlich weitere Geheimnisse verborgen sind. Eine echte Komödie auf italienisch, wenn es denn keine Tragödie wäre.
Die Zeit der Bomben - Chronologie der wesentlichen Ereignisse (Auszug)
1969
25. April. In Mailand explodieren zwei Bomben: am FIAT-Pavillon in der Mustermesse und an der Wechselstube der Banca Commerciale Italiana im Hauptbahnhof. Einige Dutzend Leichtverletzte. Etliche Anarchisten werden verhaftet.
9. August. Zehn Bomben werden in ebensovielen Eisenbahnzügen gelegt. 12 Verletzte.
12. Dezember. Vier Bomben explodieren. Eine in der Mailänder Landwirtschaftsbank an der Piazza Fontana abgestellte Bombe verursacht 16 Tote und über 90 Verletzte. In Rom geht eine Bombe an der Nationalen Arbeitsbank hoch, 14 Menschen werden verletzt; noch zwei Sprengsätze fordern vier Verletzte am Altar des Vaterlands an der Piazza Venezia. Eine weitere nicht explodierte Bombe wird an der Mailänder Handelsbank an der Piazza della Scala aufgefunden.
15. Dezember. Der Anarchist Pietro Valpreda wird im Mailänder Gerichtsgebäude verhaftet und am Abend nach Rom gebracht. Gegen Mitternacht »fällt« Pinelli aus dem vierten Stock des Mailänder Polizeipräsidiums.
1970
15. April. Der Kommissar Luigi Calabresi verklagt Pio Baldelli, den verantwortlichen Leiter der Wochenzeitung »Lotta Continua«, der ihn beschuldigt hat, für den Tod Pinellis verantwortlich zu sein.
22. Juli. Anschlag auf den Eisenbahnzug »Der Pfeil des Südens«, mit 6 Toten und 139 Verletzten.
9. Oktober. Beginn des Prozesses Calabresi gegen »Lotta Continua«.
1971
28. Mai. Die wegen der Bomben des 25. April in Mailand angeklagten Anarchisten werden freigesprochen, aber wegen geringerer Vergehen verurteilt. Alle werden aus der Haft entlassen.
1972
15. März. Der Verleger Giangiacomo Feltrinelli kommt ums Leben. Sein von einer Explosion zerfetzter Körper wird bei Segrate (Mailand) zu Füßen eines Stromleitungsmasts aufgefunden.
17. Mai. In Mailand wird Kommissar Calabresi erschossen.
1974
28. Mai. In Brescia explodiert während einer Kundgebung, zu der das antifaschistische Einheitskomitee und die Gewerkschaften aufgerufen haben, eine Bombe: 8 Tote und nahezu 100 Verletzte.
4. August. Im Italicuszug explodiert im Tunnel von San Benedetto Val di Sambro (Bologna), auf der Strecke von Rom nach München, eine Bombe: 12 Tote und 48 Verletzte.
1975
27. Oktober. Der Mailänder Richter D'Ambrosio schließt das Verfahren zum Tode Pinellis. Nach dem Urteilsspruch ist der Anarchist an »aktivem Unwohlsein« verstorben. Alle Verdächtigen werden entlastet.
1980
2. August. Es explodiert eine Bombe im Bahnhof von Bologna: 85 Tote und Dutzende Verletzte.
1988
2. Juli. Leonardo Marino, ehemaliger Aktivist von »Lotta Continua«, wird bei den Carabinieri von La Spezia vorstellig. Er wird nach 24 Tagen den Carabinieri in Mailand seine Beteiligung als Chauffeur bei der Ermordung von Kommissar Calabresi gestehen. Er belastet Ovidio Bompressi, einen weiteren ehemaligen Aktivisten von »Lotta Continua«, den Mord ausgeführt zu haben. Adriano Sofri und Giorgio Pietrostefani, die beiden Führer der außerparlamentarischen Organisation, hätten dazu den Auftrag erteilt.
1997
22. Januar. Sofri, Pietrostefani und Bompressi werden im sechsten Prozeß endgültig vom Obersten Gericht zu 22 Jahren Haft verurteilt. Das Vergehen Marinos ist verjährt.